Gin

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Gin – alles zur Herkunft, Herstellung und den verschiedenen Sorten

Gin lebt von der Vielfalt. Bei keiner anderen Spirituose gibt es ein vergleichbares Zusammenspiel ausgefallener und oft exotischer Kräuter, Beeren, Wurzeln und anderer Zutaten – den sogenannten Botanicals. In unserem Shop finden Sie ein tolles und günstiges Angebot vieler verschiedener Sorten. Alle wichtigen Infos zum beliebten Wacholderschnaps finden Sie hier

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Definition, Sorten, Geschichte & Herstellung

Inhaltsverzeichnis:

  1. (Aus) Was ist Gin?
    1. Definition
    2. Botanicals: Grundzutaten für Geschmack
  2. Welche Sorten gibt es?
    1. Dry Gin und London Dry Gin
    2. Distilled Gin
    3. New Western Dry Gin
    4. Compound und Bathtub Gin
    5. Old Tom Gin
    6. Reserve und Aged Gin
    7. Sloe Gin und andere Gin-Liköre
  3. Die ganze Geschichte rund um Gin und seinen Hype
    1. Genever, Jenever und Genièvre - Vorläufer aus Belgien, Niederlande und Frankreich
    2. Steinhäger, Korngenever und Doppelwachholder aus Deutschland
    3. Borovička aus der Slowakei
    4. London Gin und der englische Gin Craze
    5. Plymouth Gin und die Royal Navy
    6. Gin & Tonic als Malariaprophylaxe in den Kolonien
    7. Orient und Okzident: Globale Gin-Kultur
    8. Vom New Western Dry Gin bis zur Debatte um Fake Gin
  4. Welchen Gin bestellen? Gute und günstige im Vergleich
 

 

1. Was ist Gin? Eine Definition

Es handelt sich dabei um eine meist klare Spirituose mit mindestens 37,5 % vol Alkoholgehalt, die mit Wacholderbeeren und anderen pflanzlichen Stoffen („Botanicals“) aromatisiert wird.  Grundsätzlich ist Gin also ein Wacholdergeist mit zusätzlichen natürlichen Aromen, wobei sich eine große Vielfalt an verschiedenen Sorten und Geschmacksrichtungen entwickelt hat.

Laut Spirituosenverordnung der EU muss er folgende Kriterien erfüllen: Grundlegend ist Gin eine Spirituose mit Wacholdergeschmack, auf Basis von Ethylalkohol, welcher durch verschiedene sogenannte Botanicals aromatisiert wird. Als Mindestalkoholgehalt wurde eine Grenze von 37,5 % vol gesetzt. Auch interessant ist, dass laut Definition der Wacholdergeschmack vorherrschend bleiben muss. Außerdem dürfen bei der Herstellung nur natürliche Aromen verwendet werden.

 Wacholderbeeren

Botanicals und Alkohol

Gin besteht kurz gesagt aus Alkohol, Wasser und Geschmack. Der Alkohol kommt aus landwirtschaftlichen Erzeugnissen – wie bei Wodka kann das bedeuten, dass die Grundlage aus Getreide, Trauben und anderem Obst, aus Melasse oder anderen Zuckerrohrerzeugnissen oder auch aus Kartoffeln gebrannt werden kann. Grundsätzlich kann auch aus fast jedem Wodka, Kornbrand, einem Trauben- oder Weindestillat ein Gin entstehen. Was ein – meist nahezu neutral schmeckendes und hochprozentiges – Destillat verwandelt, sind die sogenannten Botanicals.

Kaum eine andere Spirituose bietet ein so breites Feld unterschiedlicher Geschmacksnuancen. Die Gründe dafür sind vielfältig – denn die Zahl der Botanicals und aromatischen Kombinationsmöglichkeiten ist unbegrenzt. Mit Botanicals sind die vielen Kräuter, Wurzeln, Früchte, Knospen, Blüten und Gräser gemeint, die allesamt zum Geschmack beitragen können Allgemein bedeutet das aus dem Englischen stammende Wort Botanicals: pflanzliche Stoffe. Im Spirituosen-Kontext werden mittlerweile alle möglichen Pflanzen und deren verschiedensten Bestandteile zur Aromatisierung des Alkohols herangezogen. Es gibt sogar Experimente mit tierischen oder anderen nicht-pflanzlichen Stoffen  (die umstritten sind und vom eigentlichen Wortsinn auch nicht als „Botanicals“ zählen).

Verschiedene Botanicals

Als Lead-Botanical, das den Geschmack hauptsächlich bestimmt, ist Wacholder (in Form der Wacholderbeeren) vorgeschrieben. Klassische Botanicals, die bei vielen Sorten Verwendung finden und zum typischen Gin-Geschmack traditionell beitragen, sind des Weiteren Angelikawurzeln/Engelwurz, Iriswurzeln und Koriandersamen zur Geschmacksharmonisierung sowie verschiedene Zitrusschalen (fruchtig, bitter, sauer, frisch), oft auch Mandeln oder Süßholz (Lakritz). Daneben kommen mittlerweile gerne auch spezifische Geschmacksstoffe wie Ingwer (frisch und scharf), Kardamom (warm und würzig), Zimt oder sogar Safran zum Einsatz. Während 3–4 Botanicals für klassischen oder minimalistischen Gin vollkommen ausreichen, und auch die meisten neueren Sorten auf meist rund 8–10 verschiedene Kräuter und Gewürze setzen, entwickelte Monkey Gin mit seinen 47 Botanicals einen neuen Trend zur Masse, wobei die Klasse und Harmonie des Schwarzwald Dry Gin bei derart vielen Zutaten selten erreicht wird. Die unendliche Vielfalt bei der Zutatenauswahl und den Kombinationsmöglichkeiten mit verschiedenen Dosierungen und Herstellungsweisen ist ein wichtiger Grund dafür, dass es so viele Varianten dieser Spirituose gibt – und fast jede einzigartig schmeckt.

2. Welche Sorten gibt es?

Neben gesetzlich festgelegten Sortenbezeichnungen wie Distilled Gin und Dry Gin und regionalen Herkunftsbezeichnungen gibt es einige weitere Namen für bestimmte Sorten, die allerdings nicht klar definiert sind, wie z. B. fassgelagerter Reserve Gin oder Sloe Gin – ein traditionell britischer Schlehenlikör auf Gin-Basis. Viele moderne Varianten basieren auf relativ freien Interpretationen des klassischen Wacholderschnaps-Rezepts, was eine immer größere Vielfalt an inoffiziellen Sorten und neuen Geschmacksrichtungen mit sich bringt. Die wichtigsten klassischen Sorten und einige weitere Stile stellen wir hier vor.

Tanqueray No. 10 Small Batch Gin

                                                                                                                                                                                               ©Tanqueray

Dry Gin und London Dry Gin

Dry Gin gilt seit Anbeginn der Moderne als der Gold-Standard. Die meisten tragen diesen Namenszusatz, sei es klassischerweise als London Dry Gin oder in den neueren Varianten je nach Herkunft auch Munich Dry Gin, Barcelona Dry Gin, Schwarzwald oder Black Forest Dry Gin. Dabei können Münchner Gins oder solche aus dem Schwarzwald durchaus auch London Gins sein, wohingegen nicht alle in London hergestellten Dry Gins auch dementsprechend heißen dürfen. Denn hierbei handelt es sich um einen Herstellungsstandard und nicht um eine regionale Bezeichnung.

Was heißt Dry in diesem Kontext?

Namensgebend ist der Fakt, dass er ungesüßt ist. Im 18 und frühen 19. Jahrhundert war die Zugabe von Zucker üblich und oft auch nötig, um den Geschmack der scharf gebrannten Wacholdergeiste abzumildern. Allerdings konnte Gordon’s durch verbesserte Brennverfahren bereits ab der Destillerie-Gründung 1769 mit dreifach gebranntem Gin ohne jeglichen Zuckerzusatz überzeugen. Aus dem von Alexander Gordon in London etablierten Herstellungsverfahren ist der Londoner Standard abgeleitet, der heute in der EU-Spirituosenverordnung beschrieben wird.

Was heißt London Gin?

London Gin ist demnach ein Wacholdergeist ohne Zuckerzugabe, bei dem alle pflanzlichen Stoffe (Botanicals) gleichzeitig in (doppelt gebranntem) Alkohol eingelegt werden, bevor das dadurch natürlich aromatisierte Gemisch erneut destilliert wird. Jegliche Zugabe von Aroma- oder Farbstoffen nach der Destillation ist hierbei untersagt; ausschließlich Wasser darf hinzugefügt werden. Der Zuckergehalt darf den Grenzwert von 0,1 g pro Liter nicht überschreiten – daher kann jeder London Gin auch zusätzlich die Bezeichnung „Dry“ tragen.

Diese bezieht sich also ausschließlich auf die Herstellungsweise. So kann ein London Gin auch aus Deutschland kommen. Da die Herstellung nach den strengen Regeln eine besondere Herausforderung ist, trägt etwa Hoos Gin, der in Karlsruhe von Heiko Hoos handwerklich hergestellt wird, – oder auch der nach einem geheimen Rezept vom renommierten Brennmeister Hubertus Vallendar konzipierte Gin Luum aus Münster – stolz den reglementierten Namenszusatz auf der Flasche oder den Etiketten.

New Western Dry Gin

London Gin muss also nicht aus London stammen und viele Marken wählen die Bezeichnung, um die Produktionsweise ihres Produkts kenntlich zu machen. Andere Hersteller wiederum möchten sich abgrenzen und ihre eigene Region im Namen und auf dem Etikett tragen, auch wenn sie den London-Standard erfüllen würden. Während im 19. und 20. Jahrhundert London Dry Gin (und zeitweise auch Plymouth Gin) vorherrschend war, kommen im 21. Jahrhundert verschiedenste Sorten aus aller Welt hinzu.

Einer der bekanntesten und einflussreichsten ist Monkey 47, der mit der eigenwilligen Bezeichnung als „Schwarzwald Dry Gin“ seiner Herkunftsregion Aufmerksamkeit verschafft. Die neumodische Bezeichnung als New Western Dry Gin bezieht sich einerseits auf diesen Aspekt – immer mehr Marken im globalen Westen entwickeln ihren eigenen geschmacklichen und regionalen Charakter und lösen sich vom Londoner Erbe.

Andererseits hat sich die Bezeichnung auch etabliert für Spirituosen, die von einer nicht nur für London Gin, sondern von der allgemein gültigen Regel abweichen.

So ist die Rede davon, dass für klassischen britischen Gin der Wacholder mindestens 60 % der Botanicals ausmachen muss, ansonsten sei es „New Western Style“ oder „International Gin“ – oder eigentlich gar kein echter. Allerdings ist es schwierig bis unmöglich, die letztlich subjektive Kategorie des vordergründigen Aromas exakt zu beziffern oder zu messen. Von der inoffiziellen Zusatzbezeichnung als „New Western“ bis zur Schmähung als „Fake“ ist es nur ein schmaler Grat.

 

Distilled Gin

Fast jeder Wacholdergeist ist ein destillierter. Die Bezeichnung „Distilled“ bezieht sich allerdings nicht nur darauf, dass es sich um eine destillierte Spirituose handelt. Vielmehr geht es darum, dass im Anschluss an die Mazeration von Wacholderbeeren und anderen Botanicals (in durch Destillation hergestelltem Alkohol) das Mazerat erneut destilliert wird.

So wird Gin destilliert

                                                                                                                                                                                                ©Hayman's

Anders als beim London Gin muss dies allerdings nicht in einem Vorgang geschehen; bei einem Distilled Gin können auch in verschiedenen Brennvorgängen erzeugte Geiste verschiedener Botanicals gemischt werden oder die Aromatisierung mit pflanzlichen Stoffen oder naturidentischen Aromen in mehreren Schritten erfolgen. Dies erlaubt eine größere Vielfalt, da unterschiedliche Botanicals in verschiedenen Verfahren ihren Geschmack am besten hinzufügen – während im Londoner-Verfahren alle gleichzeitig nach dem gleichen Prinzip behandelt werden. Allerdings ist jeder London Gin auch ein Distilled Gin. Wird dabei auf eine Süßung verzichtet, ergibt das die gängige Bezeichnung als Distilled Dry Gin (wie etwa auf dem Etikett von Poli Marconi 46 Gin).

Fun Fact: Obwohl „London Gin“ für Kenner völlig ausreichen würde, um zu wissen, um welche Gin-Art es sich handelt und wie sie hergestellt werden, tragen alle Gin-Sorten der Marke Bombay Sapphire sämtliche bisher genannten Produktionsstandards auf den Etiketten. Alle Bombay Sapphire Gins werden – der doppelten Redundanzen zum Trotz – als „Distilled London Dry Gin“ bezeichnet.

Compound und Bathtub Gin

„Gin, der durch den einfachen Zusatz von Essenzen oder Aromastoffen zu Ethylalkohol landwirtschaftlichen Ursprungs gewonnen wird, darf nicht die Bezeichnung destillierter Gin tragen.“ Mit diesem Satz erklärt die EU-Verordnung, welche Spirituosen übrig bleiben und keinen der Namenszusätze tragen dürfen: nämlich solche, die als Mazerat verbleiben und nach dem Einlegen der Botanicals in der Regel lediglich gefiltert werden. Soll diese Herstellungsweise besonders betont werden, wird das Produkt häufig Compound Gin genannt, wobei es hier keine einheitliche Kennzeichnung gibt.

Dieser ist am einfachsten herzustellen, da man praktisch keinerlei Apparate dazu benötigt. Letztlich kann man auch zuhause einen Wodka mit Wacholderbeeren und anderen Gewürzen aromatisieren und hat schon einen Compound Gin selbst gemacht. Historisch soll sich daher auch die Bezeichnung Bathtub Gin für derartige Erzeugnisse erhalten haben – da man große Mengen Compound Gin einst wohl in Badewannen hergestellt hat, etwa in Zeiten der Prohibition in den USA. 

Heute beweist Ableforth’s Bathtub Gin (f.k.a. Professor Cornelius Ampleforth’s Bathtub Gin), dass diese Herstellungsmethode geschmacklich und qualititativ nicht schlechter sein muss als destillierte Varianten.

 

Old Tom Gin

Auch was es mit dem Namen der Sorte Old Tom Gin auf sich hat, erklärt sich aus historischen Zeiten, in denen der Wacholdergeist verboten oder zumindest streng reglementiert war. Um den Gin-Craze einzudämmen, hatte die britische Krone neue Regeln erlassen. In London war es offiziell nicht mehr erlaubt, ihn auszuschenken. Findige Wirte erfanden allerdings einen Trick, um anonym Gin to go zu verkaufen, und somit möglicher Strafverfolgung zu entgehen. An den Fassaden der Kneipen und Pubs wurden hölzerne Tafeln eingelassen, auf denen ein schwarzer Kater („Old Tomcat“) oder zumindest eine schwarze Katzentatze abgebildet oder auch eingeschnitzt war. Hier konnte man von der Straße aus Geld einwerfen und wurde unsichtbar von innen bedient – teils sogar wie in modernen Automaten mit Münzeinwurf und Ausgießer durch ein Rohr in der Schnauze oder Pfote des guten alten schwarzen Katers Tom.

Damals etablierte sich für den solcherart illegaler Weise verkauften Drink der Name „Old Tom". Es handelte sich aufgrund der Umstände noch nicht um den höherwertigen und geschmacklich feinjustierten London Gin späterer Jahrzehnte, sondern um meist stark gesüßte Varianten mit kräftigem Geschmack. Einige Hersteller – wie zum Beispiel die traditionsreiche Londoner Brennerei Hayman’s – rekonstruieren mit modernen Methoden diesen historischen Stil, der auch den Rezepten zahlreicher ursprünglicher Cocktails zugrunde liegt, und haben neuen und hochwertigen Old Tom Gin im Angebot.

Reserve und Aged Gin

Fassgelagerter Gin ist eine besondere Sorte mit unklarem Status. Mal wird Reserve Gin als das nächste große Ding gehandelt und jede Brennerei kann es kaum erwarten, bis ihr Produkt fertig gereift ist. Dann heißt es wieder, dass diese Spirituose für die Holzfasslagerung gar nicht geeignet sei, da die feinen und flüchtigen Noten der Botanicals während der Reifung im Fass allzu leicht wieder verloren gingen. Die Wahrheit liegt wohl irgendwo in der Mitte – beziehungsweise bei fein auf den jeweiligen Wacholdergeist abgestimmten Fassreifungen, die nur wenige Monate bis circa ein Jahr dauern.

Citadelle Reserve Gin - Fassgelagerter Gin aus Frankreich

                                                                                                                                                                          ©Citadelle Gin de France

Zwar wird brauner Gin vermutlich nie den Stellenwert erreichen, den brauner Tequila oder mittlerweile auch Grappa Riserva im Vergleich zum jeweiligen klaren Pendant hat – und definitiv nie in die Liga der mehrjährig fassgereiften Spirituosen aufsteigen, in der Whisky, Cognac oder auch brauner Rum oft jahrzehntelang im Fass schlummern. Doch neben den klaren Gins, die geschmacklich allein auf die Vielfalt der Pflanzenwelt setzen, können sich durchaus einige fassgereifte Spezialitäten behaupten – etwa der Löwen Wood Gin.

Die meist leicht süßlichen und vom Vanillin geprägten Fassnoten aus Eichenholz können als fein nuancierte Ergänzung zu Wacholder und Co. im Geschmack zusätzliche Akzente setzen. Auch historisch sind schon beim Vorläufer Genever sowohl ungereifte als auch traditionell fassgelagerte Sorten bekannt. Verschiedene Holzsorten bringen auch meist eine eigene Würzigkeit mit, der mit dem botanischen Kräutergeschmack harmonieren kann. Nur selten jedoch steht die Fassreifung bei einem Aged Gin geschmacklich stark im Vordergrund. Denn bei zu langer Fasslagerung verschwinden die Aromen der Botanicals. Nimmt der Holzgeschmack dann zu viel Raum ein, könnte man letztlich auf Botanicals verzichten und einen Whisky oder Brandy brennen.

Sloe Gin und andere Gin-Liköre

Sloe Gin ist ein traditioneller Schlehenlikör, der in Großbritannien in vielen Familien selbst hergestellt wurde, mittlerweile aber auch zum Sortiment der meisten Marken gehört. Die kleinen Schlehenbeeren von den dornigen Ästen zu pflücken, bleibt auch für namhafte Hersteller Handarbeit. Den Unterschied macht das Rezept – das von den Grundzutaten Alkohol, Zucker und Schlehensaft geprägt ist – und der verwendete Wacholderschnaps, wobei in Hausrezepten auch Wodka oder Neutralalkohol zum Einsatz kommt. Während bis vor kurzem noch fast jeder Schlehenlikör Sloe Gin genannt und als solcher verkauft werden durfte, ist jetzt gesetzlich geklärt: Ein echter Sloe Gin muss auch echten Gin enthalten.

Sloe Gin

                                                                                                                                                                                                 ©Hayman's

Ohnehin ist es die einzige Likör-Sorte, die gewissermaßen aus Gründen der Tradition als Gin bezeichnet werden darf. Ansonsten muss ein Likör, auch wenn er mit Wacholdergeist hergestellt wurde, deutlicher als Likör gekennzeichnet sein. Es gibt zahlreiche verschiedene Fruchtliköre, die mit Wacholdergeist hergestellt werden – neben der Schlehe, die botanisch gesehen eine kleine Pflaume ist, eignen sich vor allem Beerenfrüchte für einen solchen Likör, aber der geschmacklichen Vielfalt sind keine Grenzen gesetzt.

Daneben ist ein weiterer typisch britischer Likör-Klassiker Pimm’s No. 1 – ein fruchtiger Kräuterlikör auf Gin-Basis, der traditionell in verschiedenen Cocktails und Longdrinks oder Bowlen bei sommerlichen Veranstaltungen getrunken wird und seit jeher auch im Königshaus beliebt ist.

 

3. Die ganze Geschichte rund um Gin und seinen Hype

Der Wacholdergeist ist in – und das schon seit Jahrhunderten. Wer dabei – oder auch bei dem Longdrink Gin & Tonic – an einen kurzfristigen Hype denkt, kennt nicht die ganze Geschichte. Zwar hat sich in den letzten Jahrzehnten durchaus der ein oder andere Trend als reine Modeerscheinung erwiesen, aber an sich ist Gin ein ununterbrochener Megatrend, der nicht nur Apotheker und Botaniker seit dem Mittelalter begeistert. Was heute als edler Gin bezeichnet wird, wird schon hergestellt, seit es den Menschen technisch möglich ist. Und auch wenn England als Mutterland dieser Spirituose gilt, ist sie nicht auf der britischen Insel erfunden worden – und natürlich schon längst in aller Welt zu Hause.

Genever, Jenever und Genièvre – die kontinentalen Vorläufer

Will man die Frage, woher der Wacholderschnaps kommt, etwas ausführlicher beantworten, so stellt man gleichzeitig die Frage, wie er nach England kam und wie der Name entstand. Die meisten Historiker gehen davon aus, dass er ursprünglich aus dem heutigen Belgien, den Niederlanden und aus Frankreich seinen Weg nach Großbritannien und dem Vereinten Königreich fand.

Plymouth Gin Destillerie

                                                                                                                                                                                           ©Plymouth Gin

Verschiedene Bezeichnungen und Schreibweisen von Wacholder in den flämischen und niederländischen Sprachen (Genever, Jenever oder auch Junever) sowie im Französischen (genévrier oder genièvre), die vom lateinischen „juniperus“ abgeleitet sind, werden seit Jahrhunderten auch synonym für verschiedene wacholderhaltige Spirituosen verwendet und gelten dabei auch namentlich als Gin-Vorläufer. Die Englisch-Niederländischen Kriege des 17. und 18. Jahrhunderts sowie die Inthronisierung von Wilhelm III. von Oranien-Nassau zum König von England haben dabei dafür gesorgt, dass die Rezepte auf die Insel gelangten und auch die Briten sehr schnell auf den Wacholdergeschmack kamen.

Als Erfinder des Gins – beziehungsweise des Genevers – gilt dieser Überlieferung zufolge meist der niederländische Arzt und Naturwissenschaftler Franciscus Sylvius, auch genannt: Franz de le Boë. Als Medizin gegen Nierenerkrankungen sowie Sodbrennen und andere Verdauungsstörungen hatte er im 17. Jahrhundert ein Rezept entwickelt und den alkoholischen Genever in den Handel gebracht. Andere Quellen belegen allerdings ähnliche Mischungen und Rezepturen unter demselben Namen bereits im 16. Jahrhundert.

Lucas Bols, dessen Firma immer noch aktiv und heute vor allem für Cocktail-Liköre bekannt ist, mischte und destillierte bereits 1575 in Amsterdam Spirituosen mit den in der Hafenstadt umgeschlagenen Gewürzen. Auch Genever und andere an heutigen Gin erinnernde Wacholdergeiste dürften damals schon im Umlauf gewesen sein. Im Jahre 1606 wurde in den Niederlanden erstmals eine Steuer auf Jenever erhoben – ein starkes Indiz dafür, dass die Spirituose nicht mehr als Medizin, sondern bereits als Genussmittel galt.

 

Steinhäger, Korngenever und Doppelwacholder aus Deutschland

Kommt Gin aus Deutschland? Wenn man sich auf die Suche nach den Wurzeln des Wacholdergeists und den kontinentalen Vorläufern begibt, lohnt sich ein Aufenthalt in deutschen Landen. Der eben erwähnte Genever ist nämlich kein reiner Holland-Gin, sondern auch in Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und insbesondere im Ostfriesland so traditionell verwurzelt, dass die EU die geschützten Bezeichnungen Genever, Jenever und Genièvre auch für Erzeugnisse aus diesen Regionen zulässt.

Ostfriesland hat sogar seine eigene geographische Angabe: Ostfriesischer Korngenever gilt als eine der typischen Spirituosen Ostfrieslands und wurde als solche schon früh in Urkunden, Gesetzen und anderen Schriften dokumentiert. Wie in den Niederlanden ist eine Mischung aus Kornbrand und einem traditionellen Malzbrand („Moutwjin“) als Alkoholbasis vorgeschrieben, die mit Wacholder und weiteren Botanicals wie etwa Kümmel, Koriander und Rosmarin aromatisiert wird. Im Volksmund wird der Korngenever auch heute noch gerne „ostfriesischer Landtee“ genannt, da der Wacholderschnaps bei Wind und Wetter wohl als wärmend empfunden wird.

Für Deutschland als wichtige Wurzel der Spirituose gibt es allerdings noch weitere gute Argumente – und zwar nicht nur, dass der oben genannte „Erfinder“ Franz de le Boë im hessischen Hanau geboren wurde. Vielmehr ist die kleine Stadt Steinhagen (in Ostwestfalen bei Bielefeld und Gütersloh) bereits seit dem 14. Jahrhundert als Epizentrum der Wacholdergeiste verbürgt. Traditionell in einer Steingut-Flasche (im Volksmund Tonkruke oder Betonbuddel genannt) abgefüllt, werden bis heute nicht nur die Steinhäger oder Schinkenhäger aus Steinhagen, sondern auch der Doppelwachholder aus Hagen-Haspe in der Mitte von Nordrhein-Westfalen. Allerdings stammt hierbei das Rezept wiederum aus Holland, wohin es den Kornbrennersohn Peter Eversbusch in den Napoleonischen Kriegen verschlagen hatte. Über hundert Jahre zuvor hatte bereits der 30-jährige Krieg den Wacholderschnaps in verschiedenen deutschen und anderen Ländern als Genussmittel etabliert.

Borovička – der Ur-Gin aus der Slowakei

Dass die Spirituose allerdings weder eine rein britische, noch eine west- und mitteleuropäische Geschichte hat, beweist der Borovička genannte Wacholdergeist, der in der heutigen Slowakei als Nationalgetränk gilt und auch in Tschechien sowie in weiten Teilen (Süd-)Osteuropas verbreitet ist. Schon im 16. Jahrhundert wurde in Liptau (slowakisch: Liptov) – damals ein Komitat des Königreichs Ungarn – der mit Wacholderbeeren und oft auch mit Zapfen oder Samen verschiedener Kiefern aromatisierte Schnaps hergestellt und innerhalb der gesamten Habsburgermonarchie getrunken – insbesondere in Wien und Budapest.

Der Name Borovička stammt dabei wiederum vom slowakischen Wort für Wacholder (borievka), ebenso wie bei vergleichbaren Getränken im heutigen Slowenien (brinjevec, Wacholder auf slowenisch: brin) oder im heutigen Serbien (klekovača, auf serbisch heißt Wacholder kleka). Zwar gibt es hier kaum historische Indizien für eine Verbreitung dieser Rezepte bis nach England, aber auch diese Geschichte zeigt, dass Gin als heute beliebtester und weltweit bekannter Wacholdergeist in vielen Teilen Europas schon Vorläufer hatte.

Der englische Gin Craze und der London Gin

Der große Hype als solcher entstand allerdings, aller anderen Wacholdergeist-Traditionen zum Trotz, in England – und zwar gegen Ende des 17. und im Laufe des 18. Jahrhunderts. Bis heute ist nicht restlos geklärt, welche Auslöser und Gründe es für den maßlosen Konsum in England gab, der als „Gin Craze“ in die Geschichte einging und Bestandteil intensiver Debatten um Einschränkungen des Alkoholkonsums wurde. Schon in den 1680er Jahren exportierte die Niederlande über 30 Millionen Liter Genever pro Jahr – vermutlich zu großen Teilen nach England, wo er schon unter dem Namen Gin bekannt ist. Spätestens nachdem 1689 Wilhelm III. von Oranien-Nassau zum englischen König gekrönt wird, werden aktiv die Weichen gestellt, dass die eigentlich niederländische Spirituose in England zum Nationalgetränk werden konnte.

So werden zunächst die Steuern und Einfuhrzölle für niederländischen Wacholderschnaps abgeschafft und gleichzeitig der Import französischer Spirituosen teurer gemacht. Später gibt ein Erlass vor, dass der Alkohol für Gin ausschließlich aus heimischem Getreide gebrannt werden soll. Weitere Veränderungen der Steuern begünstigen die Gin-Herstellung gegenüber dem Bierbrauen und hohe Getreideernten sorgen dafür, dass er reichlich fließt. Die Engländer trinken in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts unfassbar viel davon und wollen ihn sich auch nicht wieder nehmen lassen. Erste Versuche in den 1730er Jahren, den Konsum mit Gin-Gesetzen (den so genannten Gin Acts) wieder einzudämmen, scheitern. Der Genuss entwickelt sich so bei vielen Menschen zu gefährlichem Alkoholismus mit entsprechend negativen sozialen Begleiterscheinungen, dass der „Gin Craze“ insgesamt als Epidemie betrachtet wird. Doch selbst als Anfang der 1750er Jahre neue Steuern, Ausschankkonzessionen und Regularien eingeführt werden, kann der – nun oftmals illegale – Verkauf nicht kontrolliert und nur wenig reduziert werden.

Sogar die britische Oberschicht interessiert sich nun für das spannende Getränk, aber natürlich beansprucht sie für ihresgleichen einen höheren Qualitätsstandard als der Schwarzmarkt und distinguierte Trinkweisen als die in der Gosse. Dies ist eine wichtige Voraussetzung für die Gründung offizieller Brennereien und die Etablierung der bis heute anerkannten Marken sowie der besonderen Sorte namens London Gin. Es war der Schotte Alexander Gordon, der 1769 in London begann, den dreifach destillierten Gordon’s Gin herzustellen und zu vermarkten – und damit als erster die Herstellungsweise etablierte, die später als London Gin benannt und als Qualitätsmerkmal geschützt wurde. Fortan verbesserten sich auch allgemein die Brennmethoden und die Spirituose verbreitete sich in allen Gesellschaftsschichten und Gebieten Großbritanniens – nicht zuletzt durch die Royal Navy.

Plymouth Gin, die Royal Navy und der Navy Strength Gin (Gunpowder Proof)

Im Jahre 1800 wird die Firma Gordon Co. mit ihrem Gordon’s London Dry Gin zum offiziellen Lieferant der Royal Navy ernannt, der königlichen Flotte Großbritanniens. Sieben Jahre zuvor, 1793, wurde im ehemaligen Dominikanerkloster in Plymouth die Black Friars Distillery gegründet, in der seither der Plymouth Gin gebrannt und über den Hafen der Stadt in alle Welt gebracht wird. Für die Geschichte wichtige Ereignisse, schließlich ist die Royal Navy die Institution, an der viele berühmte Briten ihre Leidenschaft für den Wacholdergeist entdeckten – und ihr auch nach ihrer Zeit als Marine-Soldat weiter frönten. Ein besonders bekanntes Beispiel ist Winston Churchill, der ihn die Zeit seines Lebens liebte und Plymouth Gin für den besten überhaupt hielt.

 

Plymouth Gin Navy Strength

                                                                                                                                                                                          ©Plymouth Gin

Alle Schiffe, die den Hafen von Plymouth verließen, sollen mindestens eine Kiste davon aus der nahe gelegenen Brennerei an Bord gehabt haben. Das offizielle „Gin Commissioning Kit“ der Navy enthielt mehrere Flaschen Plymouth Gin sowie passende Gläser in einer Holzkiste und gehörte zur Standardausstattung der gesamten Marineflotte. Einerseits galt die Spirituose weiterhin als gesund. Gemischt mit Limettensaft oder -sirup sollte er die Seefahrer etwa vor Skorbut beschützen. Andererseits diente er – wie auch Rum – als Bestandteil der täglichen Alkoholration für die Soldaten, Privileg der Offiziere und als Belohnung für besondere Leistungen. Klassische Cocktails wie Pink Gin  (mit Angostura Bitters), Gimlet (mit Limettensirup nach Rezept vom Marine-Arzt Sir Thomas Desmond Gimlette von 1867) und der Signature Longdrink Gin & Tonic entstanden so direkt in der Navy an Bord oder an den Zielorten ihrer Seefahrt-Missionen.

Navy Strength Gin: Was bedeutet Gunpowder Proof?

Auch der traditionelle Navy Strength Gin mit einer Alkoholstärke von 57% vol hat seinen Namen logischerweise von der Seefahrerei. Es handelt sich um den Alkoholgehalt, bei dem Schießpulver noch funktioniert, auch wenn es in der Flüssigkeit getränkt ist. Manche Quellen behaupten, er sei bevorzugt in dieser Stärke unter Deck gelagert worden, damit auch bei unter schwerem Seegang verschütteten oder beschädigten Fässern und Flaschen – und dadurch feucht gewordenem Schießpulver – die Waffenfähigkeit nicht beeinträchtigt wurde.

 

Besser belegt ist allerdings eine andere Begründung für die Navy Strength bei Rum und Gin: Vor Erfindung des Hydrometers konnten Einkäufer der Marine mit dem Gunpowder Proof diese Alkoholstärke sehr einfach testen, indem sie einen Löffel mit Schießpulver mit der Spirituosen tränkten und versuchten, es zu entzünden. Seinerzeit war die offizielle Maßeinheit der Briten auch noch nicht Volumenalkohol sondern °proof – eine Alkohol-Maßeinheit, die sich direkt von der Brennbarkeit ableitete. Die Navy Strength von 57 % vol entspricht somit genau 100° UK proof (oder 114 proof nach alten US-Maßstäben). Bei Spirituosen mit noch höherem Alkoholgehalt spricht man entsprechend auch von Overproof. Das Vereinte Königreich hatte erst 1980 im Zuge der Vereinheitlichung mit der EU offiziell vom proof-Standard zu Volumenprozent gewechselt.

Gin & Tonic – erfunden als Malariamedizin in den Kolonien

Über die British Royal Navy kam der Wacholdergeist also viel herum in der Welt – und gerade die Briten hatten mit ihrem Empire ja ein wirklich weltumspannendes Netz an Kolonien. Auf dieser Geschichte gründet auch der bis heute unvergleichlich erfolgreiche Longdrink Gin & Tonic. Denn in vielen der Kolonialgebiete, in denen sich die britischen Marinesoldaten und Offiziere herumtrieben, mussten sie sich mit Mücken herumplagen. Zu allem Übel mit Mückenstichen, Hitze und ungewohnter Luft kam hinzu, dass manche der Mücken die bis heute gefürchtete Krankheit Malaria in sich tragen und über das Blut auch britische Kolonialherren damit anstecken können. Gegen all das hilft die Rinde des Chinarindenbaumes und das darin enthaltene Chinin, dessen schmerzstillende und fiebersenkende Wirkung bereits die Ureinwohner der Anden entdeckt hatten. Gin Tonic mit Rosmarin

In hoher Konzentration wird Chinin bis heute als Medizin bei Malariaerkrankungen verwendet. In den Kolonien galt das Pulver wohl auch als geeignete Prophylaxe zur Stärkung des Immunsystems und zur Vorbeugung von Malaria. So kam es, dass der nach London ausgewanderte deutsche Erfinder Jacobus Schweppeus, der zuvor bereits ein Soda-Sprudelgerät erfunden hatte, wasserlösliche Chinin-Tabletten entwickelte, mit denen die Einnahme des bitteren Pulvers vereinfacht werden konnte. Seine Firma Schweppes ist bis heute vor allem für das aus diesen Ideen entstandene und von seinen Nachfolgern 1870 erstmals fertig in Flaschen verkaufte (Indian) Tonic Water bekannt – der Begriff „Tonic“ steht hierbei ursprünglich für Stärkung in einem medizinischen Sinn. Der ursprüngliche Mix besteht allerdings demzufolge aus Gin, Chinin-Tablette, Soda und Zitronensaft. Die Verwandlung von der bitteren Arznei hin zum Genussmittel lässt sich wie schon beim Wacholdergeist selbst historisch nicht mehr genau zurückverfolgen.

Globale Gin-Kultur mit regionalen Spezialitäten

Vieles spricht dafür, dass Gin ebenso wie Gin & Tonic ursprünglich vor allem in militärischen Kontexten konsumiert wurde – Genever in den Niederländisch-Englischen Kriegen, Gin in der Marine, Gin & Tonic in den Kolonialgebieten – und sich über die Veteranen der jeweiligen Stationen in der britischen Gesellschaft und später auch in anderen Ländern etabliert hat. Als eigene regionale Herkunftsbezeichnung ist heute Gin de Mahón geschützt – eine eigene Sorte, die bereits im 18. Jahrhundert auf der Balearen-Insel Menorca auf Wunsch dort stationierter englischer Soldaten von der Familie Xoriguer gebrannt wurde. Eine weitere von der EU geschützte regionale Sorte ist Vilnius Gin aus Litauen, wobei es sich um einen klassischen London Gin (mit 45 % vol und Dillsamen als einzige Besonderheiten) handelt.

Die neuere Geschichte ist geprägt von der internationalen Barkultur und frühe klassische Hersteller wie Tanqueray aus London sind ebenso zu globalen Marken geworden, wie bereits auch einige junge, moderne Spirituosen mit neuartigem Stil zu Welt-Bestsellern wurden. Zwei scheinbar gegensätzliche Tendenzen und Stile sind hier seit einigen Jahrzehnten zu beobachten: Einerseits der Versuch, den vollkommenen, globalen Geschmack zu erzielen; andererseits Spirituosen mit spezifischem Regionalcharakter, die bewusst in der Auswahl der Aromen auf begrenzte Erntegebiete setzen. Für den globalen Gin-Geschmack steht vor allem die seit den späten 1980er und 90er Jahren weltweit etablierte Marke Bombay Sapphire: Im markanten Design mit blauen Flaschen und dem namensgebenden Edelstein rekurriert Bombay Sapphire auf die Kolonialgeschichte und in Indien gefundene Kronjuwelen des britischen Königshauses. Für den besonderen Geschmack sind letztlich jedoch Schätze aus allen Kontinenten verantwortlich, insbesondere spezielle Pfeffersorten aus Indonesien und Ghana.

Einen gegensätzlichen Weg gingen 20 Jahre später regionale Produkte wie der berühmte Monkey 47 mit seinen 47 vorwiegend regionalen Botanicals aus dem Schwarzwald oder auch The Duke Munich Dry Gin, der mit Hopfen und Malz als besonderen Botanicals seine bayerische Herkunft und die Verbundenheit mit Münchner Bierkultur betont. Nicht nur in Deutschland, sondern weltweit hat der bahnbrechende Erfolg dieser Strategie zu unzähligen neuen Sorten geführt, von denen viele auch nur regional erhältlich sind – andere jedoch über Regionen- und Landesgrenzen hinaus als flüssige Botschafter der eigenen Heimat fungieren.

Mit Gin Mare aus Spanien hat sich so vielleicht ein ganz neuer Stil des mediterranen Wacholdergeists bereits etabliert, verschiedenste Varianten aus dem Schwarzwald bezeugen die botanische Vielfalt, eine mysteriöse Eigenartigkeit des Black Forest, und auch die Alpen gelten bereits als eigenständige und sehr besondere Region. Einige alpine, gute Gin-Sorten aus Deutschland, Österreich, der Schweiz und Italien bespielen behutsam rare Geschmackserlebnisse aus der einzigartigen Flora des Hochgebirges.

Vom New Western Dry Gin bis zur Debatte um Fake Gin

Eigentlich ist es erstaunlich, dass selbst unter Kennern nur einige wenige Sorten oder Stile als solche bekannt sind und besprochen werden. Bei der mittlerweile geradezu unüberschaubaren Vielfalt verschiedener Varianten müsste es viel mehr Sortenbezeichnungen oder Kategorisierungen geben. Literarische Skizzen von Charles Dickens aus den 1830er Jahren legen nahe, dass dies früher durchaus der Fall gewesen sein könnte – mit eigenwillig sprechenden Namen wie „The Out and Out Gin“, „The Good for Mixing Gin“, „The strip me naked Gin“, „The real Knock-me-down Gin“ oder „The Celebrated Butter Gin“.

Dennoch ist der „New Western Style“ fast die einzige weithin gebräuchliche Zuschreibung für die vielen neuen Sorten des 21. Jahrhunderts. Entsprechend undefiniert und unklar ist der Begriff. Zumal die mit dem Begriff New Western Dry Gin grob umrissene Kategorie bei genauer Betrachtung weder besonders neu („new“), noch besonders westlich („western“) ist – ganz zu schweigen von „dry“ (trocken, ohne Zucker oder anderer Süßung). Da International Gin oder auch New American Gin teilweise als Synonyme für die New Western Variante gelten, liegt die Vermutung nahe, dass es sich ursprünglich um eine Kategorisierung handelte, die auf den US-Markt abzielte.

Erste Erzeugnisse mit neuen Geschmacksrichtungen führten die Londoner Urgesteine Gordon’s und Tanqueray, die sich 1898 zu einer Firma vereint hatten, bereits seit den 1930er Jahren im Sortiment – wohl auch gezielt für den amerikanischen Markt nach Ende der Prohibition. Auch in der Neuzeit fokussierten neue Sorten insbesondere bei Tanqueray – No. Ten, Malacca, Rangpur – wieder stark auf den besonderen Geschmack verschiedener Zitrusfrüchte und wurden oft als Erstes in den USA vermarktet. Inzwischen ist auch in den USA die Blüte der regionalen Sorten ausgebrochen und viele Spezialisten und Kenner verköstigen sich durch die Fülle verschiedener Craft Gins in allen Staaten. Die Experimentierfreude mit neuen Geschmacksrichtungen neben – und jenseits – dem oft als großväterlich oder altbacken geltenden Wacholder ist hingegen weltweit ausgebrochen. Als Initialzündung gilt der 1999 in Schottland erfundene Hendrick’s, der mit milden Gurken- und Rosenblütenessenzen versetzt ist und seit den 2000er Jahren mit einem extravaganten – und von der Wacholdertradition abweichenden – Geschmack und Image offensiv Aufsehen erregt.

Diese Entwicklung weckt jedoch mittlerweile mehr und mehr Skepsis und Argwohn. Während früher Pink Gin ein Cocktail mit Wacholdergeist und Angostura Bitters war, heißt heute so ein neuer Stil, der plump und oberflächlich weibliche Zielgruppen ansprechen soll. Immer häufiger steht Gin auf Flaschen, deren Inhalt im Blind Tasting nicht klar als solcher zu erkennen wäre. Dass er seinen eigenen Charakter verliert und man ihn bald nicht mehr von Flavoured Vodka oder gar schlimmeren wodkabasierten Alkopop-Sünden der 1990er unterscheiden kann – das ist die große Sorge der Hüter des Reinheitsgebots, das ein eindeutig vorherrschendes Wacholderaroma vorschreibt. An die vorderste Front der Debatte hat sich die seit 1863 familiär geführte Destillerie Hayman’s of London gestellt. Unter dem Kampfbegriff „Fake Gin“ sollten diejenigen Produkte gebrandmarkt werden, bei denen der charakteristische Wacholder kaum noch oder gar nicht mehr geschmacklich wahrnehmbar ist. In klarer Abgrenzung dazu und starkem Traditionsbewusstsein nennen die Haymans ihre eigenen Erzeugnisse mittlerweile „True English Gin“ – obgleich natürlich auch außerhalb Englands noch „echte“ Gins hergestellt werden und auch in England so mancher „Fake“ zu finden sein dürfte.

4. Welchen Gin bestellen? Gute und günstige im Vergleich

 

  • Man kommt einfach nicht an ihm vorbei: Monkey 47. Der Wacholdergeist aus dem Schwarzwald in der Apothekerflasche hat es innerhalb kürzester Zeit zu einer neuen Ikone gebracht, zahlreiche Nachahmer inspiriert und global eine neue Generation mitbegründet. Ist er vielleicht überschätzt? Nein: Kaum ein anderer hat je eine derart ausgewogene Komposition verschiedenster Botanicals und vielfältigster Aromen zustande gebracht. Probieren oder verschenken Sie den modernen Klassiker in unserem Monkey 47 Set mit Gents Tonic und Gläsern!
  • Ein weiteres Must-have kommt aus dem traditionsreichen Hause Tanqueray, weist ebenfalls ein längst ikonisches Flaschendesign auf und gehört zu den absoluten Lieblingen der Bartender weltweit: Tanqueray No. Ten Gin ist der Inbegriff eines feinen zitrusfruchtigen Gins, der seine Herkunft – und die enge Verwandtschaft zum klassischen Tanqueray London Dry Gin – nicht verleugnet. Beide kommen mit knackigen 47,3 % vol und sind sowohl in 0,7 als auch in besonders günstigen 1,0-Liter-Flaschen erhältlich. Alle Tanqueray Produkte finden Sie hier.
  • Waldig-harzig-würzig und alpin: Aus den Vizentiner Alpen, genauer gesagt der Asiago-Hochebene im Norden von Venetien, kommt die für Grappa bekannte Familie Poli. In Bassano del Grappa betreibt sie das Grappa-Museum und in Schiavon, in der Via Marconi 46, ihre Destillerie. Die Straße trägt den Namen eines Nobelpreisträgers und den Namen trägt auch der Poli Marconi 46 Gin, der wiederum spannende alpine Botanicals aus den Bergen enthält – sicherlich einer der markantesten Alpen-Sorten, obwohl die Alpen nicht auf dem Etikett erwähnt werden.
  • Deutlich milder und sanfter ist der feine Wacholdergeist, den die Bergbrennerei Löwen mit zahlreichen Blüten der Bergwiesen des Bregenzerwaldes aromatisiert: Löwen Dry Gin ist eine Offenbarung an floralen, lieblichen, sanften und würzigen Geschmacksnuancen – und die mundgeblasenen Flaschen und dazu passenden Gläser sind auch echte Hingucker. So bieten die verschiedenen Sorten und Sets auch die ein oder andere Geschenkidee.

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